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Aller Anfang ist schwer
1919 – 1923
Am Ende des Ersten Weltkriegs kämpfen viele Menschen um das tägliche Überleben. Die Anfangsjahre der Weimarer Republik verlangen der Bevölkerung alles ab. Auch die Politik und ihre neu gegründeten Institutionen stehen vor enormen Herausforderungen.
Millionen Männer sind im Krieg gefallen oder verwundet worden. Zu den persönlichen Schicksalen kommen massive soziale Probleme. Brot gibt es zunächst nur gegen Lebensmittelmarken, Kinder müssen hungern und Großfamilien hausen in Einzimmerwohnungen: Den Menschen fehlt es nach Kriegsende am Nötigsten. Staat und Wirtschaft ächzen zudem unter der Last der Reparationsforderungen der Siegermächte des Ersten Weltkriegs.
Leben in der unmittelbaren Nachkriegszeit
Die deutsche Wirtschaft erholt sich nach dem Tiefpunkt im Jahr 1919 zunächst aber schnell und profitiert dabei von einer Abwertung der Mark, wodurch deutsche Produkte im Ausland billiger und damit attraktiver werden. Während andere Länder im Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft unter hoher Arbeitslosigkeit leiden, herrscht im Deutschen Reich bald Vollbeschäftigung. Doch 1923 kommt es kurzfristig zu einem schweren Rückschlag: Um Kriegsfolgekosten und andere Staatsausgaben zu finanzieren, wird immer mehr Geld gedruckt. Das Preisniveau steigt ins Unermessliche und gipfelt in der Hyperinflation des Jahres 1923. Ein einzelnes Ei kostet in Berlin am 2. Dezember 1923 rund 320 Milliarden Mark.
Lebensmittelpreise in Berlin 1923 | ||
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3. Januar 1923 | 19. November 1923 | |
1 Kilogramm Roggenbrot | 163 Mark | 233 Milliarden Mark |
1 Kilogramm Rindfleisch | 1800 Mark | 4 Billionen 800 Milliarden Mark |
Quelle: Helmut Braun, Inflation, 1914-1923, publiziert am 22.01.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns |

© Chronos-Media
Das 1919 neu gegründete Reichswirtschaftsministerium befindet sich selbst in einer schwierigen Lage. Während es gegen die rapide Geldentwertung und für eine Stabilisierung der Wirtschaft kämpft, ist es noch dabei, die eigene Rolle zu finden und sich als Mittler zwischen den widerstreitenden Interessen von Großindustrie, Mittelstand und Handwerk, Konsumenten und dem Ausland zu etablieren. Die wirtschaftlichen und strategischen Herausforderungen der Nachkriegsjahre gehen Minister und Staatssekretäre mit einer Reihe pragmatischer Entscheidungen an. Es werden nicht nur – wie damals üblich – Juristen, sondern auch Volks- und Betriebswirte zu Spitzenbeamten berufen. Außerdem nimmt das Ministerium eine Vorreiterrolle ein, indem es erstmals auch sieben Frauen einstellt.

1890 – 1942
Dr. Cora Berliner
Cora Berliner ist eine von sieben Frauen in leitender Funktion im Wirtschaftsministerium. Die studierte Nationalökonomin wird 1919 Beamtin im Wirtschaftsministerium, 1923 wird sie zur Regierungsrätin ernannt. Sie wirkt u.a. daran mit, die Außenhandelspolitik auf Goldwährung umzustellen, um die Währung zu stabilisieren. Im Frühjahr 1933 wird sie wegen ihrer jüdischen Herkunft entlassen. Im Juni 1942 wird Cora Berliner nach Minsk deportiert und vermutlich im weißrussischen Maly Trostinez ermordet.
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Nach einem Jahr Hyperinflation, in dem die Bevölkerung Mangel und Not leidet, entschließt sich die Reichsregierung im Herbst 1923 zu einem einschneidenden Schritt. Eine Währungsreform soll den Wertverfall des Geldes stoppen und Deutschland wieder kreditwürdig machen. Am 15. November 1923 wird zunächst die Rentenmark als neues Zahlungsmittel eingeführt, aus der später die Reichsmark wird. Die Bevölkerung nimmt die neue Währung an, es entsteht Vertrauen in das neue Zahlungsmittel. Gleichzeitig gibt es Unterstützung aus dem Ausland: Die Reparationszahlungen werden zeitweise ausgesetzt und frisches Kapital strömt ins Land. Für die noch junge Republik beginnt eine Phase relativer politischer und wirtschaftlicher Stabilität.

Hyperinflation
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Rudolf Pörtner Alltag in der Weimarer Republik. Erinnerungen an eine unruhige Zeit, Econ, Düsseldorf 1990, S. 360 f. (www.bpb.de)
Als mein Vater mit dem ersten wertbeständigen Zahlungsmittel heimkehrte, traten wir wie zur Besichtigung einer säkularen Kostbarkeit an, und es verschlug uns fast den Atem, als wir die erste Rentenmark (…) beäugten.
Zahlen und Fakten
Gründung
des Reichswirtschaftsministeriums am 21. März
Wirtschaftsminister
gibt es zwischen 1919 und 1933
Staatssekretäre
sorgen für eine dennoch hohe Kontinuität
Frauen
in leitenden Positionen sind ein Novum in dieser Zeit
Die Minister

1919
Rudolf Wissell
© BArch, Bild 102-00213A / Georg Pahl
Rudolf Wissell (SPD) ist von Februar bis Juli 1919 der erste Wirtschaftsminister der Weimarer Republik. In dieser Funktion macht er sich für eine gemeinwirtschaftlich gebundene Wirtschaft stark. Nachdem die Reichsregierung seine Pläne ablehnt, tritt er von seinem Ministeramt zurück.

1919 – 1920
Robert Schmidt
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Robert Schmidt (SPD) bleibt zwar nur kurz im Amt, hat aber prägenden Einfluss auf das Ministerium – sowohl organisatorisch als auch inhaltlich. Er ist es, der verstärkt leitende Positionen mit Volks- und Betriebswirtschaftlern sowie Frauen besetzt. Und anders als sein Vorgänger Wissell glaubt er daran, dass man der Wirtschaft mehr Freiraum geben muss, damit sie sich entfalten kann. Und er erkennt früh, welche Bedeutung internationale Märkte für deutsche Firmen haben.