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Wege aus der Krise
Im 21. Jahrhundert
Fast 80 Jahre nach der großen Krise von 1929 wird die Weltwirtschaft 2008 erneut in ihren Grundfesten erschüttert. Auch Deutschland erlebt die größte Rezession seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Doch umfassende Konjunkturprogramme helfen dabei, die Wirtschaft vergleichsweise schnell zu stabilisieren und die Krise zu überwinden.

Der Tag nach der Lehman-Pleite: Händler an der New Yorker Börse beobachten die Entwicklung der Börsenkurse.
© Getty Images/Spencer Platt
Was 1929 in den Vereinigten Staaten der „Schwarze Donnerstag“ und in Europa der „Schwarze Freitag“ war, ist 2008 ein „Schwarzer Montag“: In New York muss die traditionsreiche Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz anmelden und sendet damit Schockwellen rund um den Globus. Das Vertrauen an den Finanzmärkten ist dahin, die Banken leihen einander kein Geld mehr, weil niemand sicher ist, ob er es zurückbekommt.

© simpleshow

Die Immobilienkrise in den USA gilt als Auslöser der darauffolgenden weltweiten Finanzkrise: Immer mehr Hausbesitzer können ihre Kreditraten nicht mehr bezahlen und müssen ihre Häuser verkaufen.
© Getty Images/Sandy Huffaker
Was ist passiert? Als Auslöser der Krise gilt das Platzen der Immobilienblase in den USA. Dort stagnieren oder fallen ab 2007 die jahrelang steigenden Immobilienpreise bei gleichzeitig steigenden Zinsen. Das führt dazu, dass viele Hauskäufer ihre Kreditraten nicht mehr bezahlen können. Investmentbanken wie Lehman Brothers bündeln die Kreditrisiken in Wertpapieren und handeln diese weltweit. Im Verlauf der Immobilienkrise werden diese neuen Finanzprodukte zunehmend schlechter bewertet und verlieren an Wert. Die Banken müssen Abschreibungen in Milliardenhöhe machen. Immer mehr große Finanzunternehmen geraten so unter Druck und werden aufgekauft oder müssen von ihren Regierungen gerettet werden – bis schließlich am 15. September 2008 die Investmentbank Lehman Brothers insolvent ist.

Am 15. September 2008 muss die Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz beantragen.
© Getty Images/Sebastien Micke
Die Kurse an den weltweiten Aktienmärkten brechen daraufhin dramatisch ein – und eine weit größere Verunsicherung greift um sich: Die Krise, die als Immobilien- und Bankenkrise begonnen hat, erfasst auch die Wirtschaft. Rund um den Globus geht der Konsum stark zurück, Industrieproduktion und Exporte brechen ein. Es beginnt die größte globale Rezession seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Im Zuge der Wirtschaftskrise gerät der Automobilhersteller Opel in eine schwere Krise: es droht die Schließung von Standorten und sogar eine geordnete Insolvenz wird diskutiert. Am Ende wird Opel mit staatlicher Unterstützung gerettet.
© Getty Images/Sean Gallup
Bruttoinlandsprodukt 2007 – 2012
(Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent)
Quelle: Statistisches Bundesamt
Entwicklung des Außenhandels 2007 – 2012
(Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent)
Quelle: Statistisches Bundesamt, Außenhandel
Private Konsumausgaben 2007 – 2012
(Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent)
Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, 3. Vierteljahr 2018, S. 21
Das Bundeswirtschaftsministerium tut in dieser Situation alles, um Wirtschaft und Beschäftigung zu stabilisieren: Mit den Konjunkturpaketen I und II legt es das größte Konjunkturprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auf. Um den Konsum und Investitionen anzuregen, reduziert es die Steuer- und Abgabenlast für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen. Die besonders von der Krise betroffene Autoindustrie unterstützt das Ministerium mit der sogenannten Abwrackprämie: 2.500 Euro erhält, wer sein altes Auto verschrottet und einen Neu- oder Jahreswagen zulässt.

Die Umweltprämie, auch Abwrackprämie genannt, wird 2009 eingeführt als staatliche Prämie in Höhe von 2.500 Euro. Sie wird unter bestimmten Voraussetzungen gewährt, wenn ein altes Kraftfahrzeug verschrottet und ein Neuwagen oder Jahreswagen zugelassen wird. Mit der Prämie soll die Automobilbranche unterstützt werden und die Schadstoffbelastung der Luft reduziert werden.
© Fotolia/Wolfgang Cibura
Gleichzeitig investiert der Bund stärker in Bildung, kommunale Infrastruktur, öffentlichen Bau und Verkehr; er stockt die Förderung für Forschung und Entwicklung auf, zum Beispiel im Bereich des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM); für den Mittelstand legt er Kredit- und Bürgschaftsprogramme auf.
Um drohende Massenentlassungen zu verhindern, verlängert die Bundesregierung die Kurzarbeit. Neben dieser und weiteren staatlichen Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung funktioniert aber vor allem die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern – die 2018 ihr 100-jähriges Jubiläum feiert – so gut, dass die meisten Arbeitsplätze gerettet werden können. So einigen sich Gewerkschaften und Arbeitgeber zum Beispiel auf den Abbau von Arbeitszeitkonten, und vor allem die Arbeitnehmer verzichten in den Tarifverhandlungen auf hohe Lohnforderungen.

Mit dem Stinnes-Legien-Abkommen wird am 15. November 1918 die Sozialpartnerschaft von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ins Leben gerufen – die Unternehmer erkennen die Gewerkschaften damit als berufene Vertretung der Arbeiterschaft und als gleichberechtigte Tarifpartner an.
© gemeinfrei
Gemeinsames Konjunkturgespräch am 02.12.2009: Presseunterrichtung von Bundesfinanzminister Schäuble und Bundeswirtschaftsminister Brüderle
© Bundesregierung, www.bundeskanzlerin.de
Die Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von fast 100 Milliarden Euro tragen bald Früchte: Deutschlands Wirtschaft erholt sich vergleichsweise schnell von der Krise – schon im Verlauf des Jahres 2009 wächst die Wirtschaft wieder.
Zeitstrahl: Finanzkrise
Zahlen und Fakten
Prozent an Wert
büßen deutsche Aktien 2008 ein
Milliarden Euro
beträgt das Volumen des Bankenrettungsschirms der Bundesregierung
Milliarden Euro
fließen in die Konjunkturprogramme
Die Minister

2009
Karl Theodor zu Guttenberg
© Bundesregierung/Laurence Chaperon
Mit 37 Jahren ist Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei seinem Amtsantritt der bisher jüngste Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland. Während seiner nur kurzen Amtszeit bis zur Bundestagswahl im Jahr 2009 wird deutlich, dass sich der Minister klar zur Sozialen Marktwirtschaft mit ihren Prinzipien Eigeninitiative, Selbstentfaltung, Freiheit und Selbstverantwortung bekennt und sein politisches Handeln nach der seit dem Jahr 2008 andauernden Finanz- und Wirtschaftskrise ausrichtet.
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bei der Verabschiedung des Konjunkturpakets II im Bundestag
Wir befinden uns in einer sehr harten Wirtschaftskrise – aber nicht in einer Systemkrise.

2009 – 2011
Rainer Brüderle
© Bundesregierung/Gero Breloer
Nach der Bundestagswahl übernimmt Rainer Brüderle (FDP) im Oktober 2009 das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Minister Brüderle tritt sein Amt auf dem Höhepunkt der stärksten Wirtschafts- und Finanzmarktkrise der Nachkriegszeit an. In dieser Zeit gelingt Deutschlands Wirtschaft ein beispielloser Aufholprozess. Schon im Jahr 2010 erreicht das Wirtschaftswachstum wieder einen Rekordwert von + 3,6 Prozent, erstmals seit 20 Jahren sind wieder weniger als drei Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos. Brüderle setzt sich vor diesem Hintergrund für den raschen Ausstieg aus staatlichen Kriseninstrumenten und die Rückbesinnung des Staates auf seine ordnungspolitischen Kernaufgaben ein.